Geheimtinte – oder auch: Sehr witzig!

In meinem Kielkrimi – Mittelalter, 15. Jahrhundert – dreht sich gerade alles um Geheimnachrichten, die zwei mittlerweile ermordete Männer ausgetauscht haben.
Den Klassiker Zitronensaft habe ich mir verkniffen. 1430 in Kiel wird es kaum Zitronen gegeben haben. Schade!

Also den nächsten Klassiker ausprobiert: Milch! Einen Zahnstocher als Federkielersatz an einem Ende leicht weichgeklopft und in die Milch getaucht. Man muß sehr oft nachstippen, sonst schreibt man mit trockenem Holz.

Jetzt stinkt es in meinem Arbeitszimmer nach verbrannter Milch.

Aber der Reihe nach:
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit Milch geschriebene Geheimnachrichten sichtbar zu machen: Kohlenstaub (ich nahm als Ersatz mit der Nagelfeile fein geriebenen Bleistift, also Graphit, da ich gerade keine Grillkohle zur Hand habe) und Wärme (das duftende Teelicht vom schwedischen Möbelhaus, so, das mußte mal gesagt werden. Es stinkt trotzdem nach angebrannter Milch!).


Eine geheime (und alberne) Nachricht. Geschrieben mit Milch, brav vollkommen trocknen lassen, mit Graphitstaub sichtbar gemacht. Das ist ziemlicher Schweinkram. Ich habe jetzt noch schwarze Fingerspitzen. Und ich muß zusehen, meine Nagelfeile wieder sauber zu bekommen. Das Prozedere ist einfach: Graphitstaub über das Blatt streuen, mit dem Finger verstreichen, die mit Milch geschriebene Nachricht wird sichtbar. Sie wird nur nie wieder unsichtbar. Das Papier im Mittelalter war dank Lumpen und Handschöpfung sehr viel rauher als unser heutiges, und auch von modernem Papier verschwindet die Nachricht nicht wieder.


Auch diese Nachricht habe ich mit Milch geschrieben, offenbar nicht satt genug. Denn trotz bösen Kokelns über dem Duftteelicht blieben einige Schriftzeichen unsichtbar. Die Rückseite des Papiers ist mit dunklen Kokelflecken getupft, die geheime Nachricht stinkt erbärmlich. Ich hatte beständig Sorge, daß mein Zettel in Flammen aufgeht. Wo ich die Milch satt aufgetragen habe, ist die Schrift gut leserlich. Doch es dauert, bis man die Nachricht soweit sichtbar gemacht hat, daß sie entzifferbar ist. Und sie denkt gar nicht daran, wieder zu verschwinden. Kein Wunder, sind die Zeichen doch sichtbar dank verbrannten Milcheiweißes.

Was mach ich nun? Meinen Finaleplan leicht umschreiben!

Recherche über meine Geburtsstadt

Ich bin derzeit ein wenig im Ausschreibungsfieber. An drei laufenden Wettbewerben nehme ich schon teil, jetzt sprang mich eine Ausschreibung für „Intrigen, Mord und Bösewichte“ angesiedelt im Mittelalter an.
Erste Assoziationen: Der Name der Rose und Cadfael.
Zweiter Gedanke: Aber in Schleswig-Holstein und ohne die Hilfe eines Mönchs!
Dritter Geistesblitz: Kiel!

Im Januar habe ich ein wenig Stadtführerin gespielt, da ich liebem Besuch aus Berlin und der Schweiz die Wartezeit bis zur Zugabfahrt vertreiben wollte. Start des Bummels war am jetzigen Alten Rathaus (das vor einigen Jahrzehnten selbst noch das Neue Rathaus war), runter zum Kleinen Kiel, durch die Kehdenstraße zum Alten Markt, die Dänische Straße ein Stückchen hoch, bis wir den Warleberger Hof (das einzige Gebäude in Kiel, das aus der Zeit von vor dem Dreißigjährigen Krieg stammt) und das Schloß erblicken konnten. Eine Runde durch die Altstadt, wenn man das Rathaus aus dem Marsch weglassen würde.

Kiels Altstadt mit Burg, Nikolaikirche, Markt, Hafen und Kloster, auf der einen Seite die Förde, ringsum eine Stadtmauer und ein Stadtgraben. 2000 Einwohner. Mittendrin ein Mord an einem ehrenwürdigen Rat des Magistrats. Ja, das gefiel mir.

Drei Bücher und die unschätzbare Mithilfe meines Bruders später habe ich einen Stadtplan, mit dem ich arbeiten kann. Ich habe Bilder vom wirklichen alten Rathaus bewundert, mir klargemacht, daß die Steinwüste rund um Sankt Nikolai früher ein Friedhof gewesen ist. Die breite Verkehrsader an der Förde entlang hat früher keinen Blick aufs Wasser gewährt, denn der Name „Am Wall“ rührt von der alten Stadtmauer her.

Heute erwägt man in Kiel, die „Holstenbrücke“, die einst ein offenes Gewässer und Teil des Stadtgrabens war, wieder zu einem Wasserweg zu machen. Auf meiner eingescannten, ausgedruckten und beklebten und beschrifteten Karte sieht das richtig gut aus! Los, ihr Stadtväter von Kiel!

Die drei Bücher, die mir halfen: „Kiel vor 100 Jahren – Ansichten einer Großstadt“ (zum Handlungszeitpunkt meiner Novelle hat Kiel etwa 2000 Einwohner …) aus der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, „Das alte Kiel“ von Gerhard Kaufmann und das „Kieler Straßenlexikon“ von Hans-G. Hilscher. Dazu Internet, aktuelle Straßenkarten, ein sich durch Bücher grabender Bruder.

Der Hintergrund steht. Ich liebe Recherche! Jetzt ist mein Mittelalter-Kiel so lebendig, daß mein Ratsmann Cornelius über die ungepflasterten Straßen spazieren kann.

Das einzige, wofür mich mich abweichend von historischer Genauigkeit entschieden habe: Ich werde die aktuellen Straßennamen verwenden. Natürlich nur bei den Straßen, die es noch gibt. Denn die Kattenstraße ist ebenso wie die Fischerstraße verschwunden. Auch die Schreibweise „Kiel“ statt mit zwei L oder einem Y werde ich in der Novelle beibehalten.

Drabble – zum Thema Recherche

Maynard

Maynard lehnte sich gegen das Kaminsims, überkreuzte die Knöchel und begann arrogant und selbstsicher wie immer, seine Zuhörerschaft mit seinem allumfassenden Wissen zu erdrücken. Richard und Juniper lauschten gebannt, während der Warlord ihnen genau auseinandersetzte, wie sie gegen ihren Gegner bestehen konnten. Er berichtete ohne zu Stocken von den mystischen Wurzeln ihres Gegners, vom Volksglauben, in dem sich die Erzählungen bewahrt hatten. Er verglich sogar die Fassungen, die sich in unterschiedlichen Kulturkreisen erhalten hatten.
Dann stockte er doch plötzlich, hob den Kopf und meinte genervt: „Tanja, beeile dich gefälligst mit deinen Recherchen! Wie soll ich brillieren, wenn du herumbummelst, Weib?“

Recherche

Ohne Recherche kein Buch, keine Geschichte, kein Roman – so einfach ist das.

Nicht umsonst bin ich mit Begleitmannschaft und Picknickkorb zum Bungsberg gefahren. Und es ist auch kein Zufall daß Cäsars „de bello gallico“ mit vielen bunten Markierungen in meinem Schreibregal steht. Damit Maynard im zwölften Band brillieren und alle mit seinem Wissen beeindrucken kann, mußte ich mich ja erst schlau machen. Es ist dementsprechend auch kein Zufall, daß ich eine Einhänderkriegsaxt und einen wunderschönen Streitkolben mit radial angebrachten Schlagklingen mein eigen nenne.

Zur Zeit genieße ich Recherche allerdings. Ich beschreibe im Finale von „Kenna“ eine große Seeschlacht mit Monstern, Fischmenschen und vielen, vielen Schiffen.
Verdammt, wie heißt die Stange, an der das Segel angetackert ist?
Ich habe Glück. Mein Bruder liebt Schiffe. Er liebt auch Lokomotiven, Flugzeuge und mittelalterliche Waffen.

Also war gestern beim Schreiben eine lustige Fragerunde angesagt. Jedes Mal, wenn ich vor meinem Bildschirm saß und um ein Wort rang, brüllte ich nach meinem Bruder.

Wie heißt die Stange, an der das Segel angetackert ist?
Gibt es ein anderes Wort für Reling? Sonst haut meine Lektorin mich wegen der ewigen Wortwiederholungen.
Wie nennt man eine Gangway auch?
Und wie heißen die Kletternetze am Mast, über die die Matrosen nach oben gelangen?

Na, wer weiß die Lösungen ebenso schnell wie mein Bruder?