Recherche am lebenden Objekt

Beim Wildern geschnappt findet Aravil sich in einer Kerkerzelle wieder und sieht der Ankunft einer reisenden Richterin bang entgegen, als das Schicksal in Gestalt eines Drachen zuschlägt. Leider, aber auch zu Aravils stiller Schadenfreude, ist er im wahrsten Sinne des Wortes an Shirov gekettet. Der schier unerschütterliche Büttel der Richterin will sich nicht davon abhalten lassen, irgendjemanden in Kenntnis zu setzen, dass da gerade eine Kleinstadt eingeäschert wurde. Und den Gefangenen muss er auch noch irgendwo abliefern, denkt er.

Aravil begreift rasch, dass er all seinen Einfallsreichtum aufbieten muss, um an Shirov hinter dem Panzer aus Pflichtbewusstsein heranzukommen. Dabei hören sie beständig das Windrauschen unter Drachenschwingen …

Ja, die Kette. Ich weiß, dass Aravil die Handschelle am rechten Handgelenk hat, Shirov am linken. Ich weiß, wie lang die Kette ist. Jetzt turnen meine Jungs im Gebirge herum, fallen in Felsspalten, klettern wieder heraus, Aravil hat eine gemeingefährliche Elfenerkältung …

Es wurde Zeit, nach Brüderchen zu rufen, ihm einen Schal in die Hand zu drücken, während ich das andere Ende hielt und auf meinen Sessel kletterte. Brüderchen kann so herrlich verwirrt gucken.

„So. Mal so rein theoretisch. Halt den Schal fest. Könntest du mich jetzt wie ein halbes Schwein schultern? Ohne dass wir uns gegenseitig mit der Kette erwürgen?“

„Welche Kette?“

„Der Schal. Du bist Shirov. Kannst du mich schultern? Reicht die Kettenlänge? Sonst muss ich das weiter vorne ändern.“

Die Kette reicht …

Fantasy und Recherche

Das klingt ja immer wieder mal durch: Im Genre Fantasy braucht autor keine Recherche. Ist ja sowieso alles ausgedacht und hat mit unserer Welt nichts zu tun.

Stimmt nicht!

Beispiel aus meinem Roman „Drakhall“: Ich beschrieb, wie Pfeile in einen Bösewicht einschlagen und dieser – als hätte ihn ein mittelgroßer Fels aus einer Schleuder erwischt – rückwärts geworfen wird. Eine befreundete Bogenschützin (und Autorin), die ich um Betahilfe gerade bei den Bogenszenen gebeten hatte, fragte daraufhin ganz trocken: „Willst du Hollywood oder Realismus?“

Ich entschied mich für Realismus!

Ich liebe Recherche. Time Team oder auch die Farm-Serie (BBC) mit Ruth Goodman und Peter Ginn (landwirtschaftlicher Kalender, Pflügen mit Ochsen und Pferden, Vorratshaltung, Kochen für Landarbeiter, Schafe scheren, Zusammenspiel Bauern und Kloster, alte Bräuche, Kleidung, Handwerk …) haben mich ein gutes Stück weitergebracht. Ich liebe Burgen, meine Schaukampfwaffen, authentische Mittelaltermärkte, den Siedlungsausschnitt von Haithabu und Museen.

Wer meine Heroic Romantic Fantasy (Schmachten & Schlachten, der Balanceakt zwischen Blutrot und Rosarot) kennt, weiß, dass ich Helden mitunter sehr kaputtspiele. Ich hab das Handbuch der Forensik und den Pschyrembel (Handbuch für den angehenden Hypochonder, wie ich es unartig auch nenne). Aber damit stoße ich mitunter auch wirklich an Grenzen.  Tut es weh, auf die eigenen Gedärme zu treten? Wo sollte ich den Speer nicht (und wenn doch, wie weit höchstens?) in meinen Helden piksen, wenn ich den Helden drei Tage später noch brauche? Welche Behandlungsmethoden (außer magischen, die ich aber gerne als Schummeln betrachte) kann ich auf mein an das Mittelalter angelehntes Setting übertragen?

Vorhang auf für Jürgen Eglseer! Er ist Notfallsanitäter und hat auf dem LitCamp2018 schon eine Session darüber gehalten, wie man Helden am Leben erhalten (oder auch nicht) und Bösewichter grandios abmurksen kann. Und jetzt geht er einen Schritt weiter:

 

Autoren sind langweilig

NotizenWas wir tun: Wir sitzen vor einem Schreibgerät (es gibt viele, die von Hand vorschreiben und später brav abtippen, ich schreibe direkt am PC), starren es mitunter minutenlang an und verfallen dann ins wilde Schreiben. Oder quetschen uns einen Satz raus, starren den dann eine Weile an, löschen ihn, stellen ihn um oder verfluchen ihn stumm. Oder schreiben weiter.

Unterhaltsam werden wir unser Umfeld nur manchmal. Ich bete immer, dass kein armer Abhörer meine Telefonate mit anderen Autor(inn)en anhören muss. Er würde mitunter entsetzt sein oder sich scheckig lachen. Das gleiche gilt für Kontakte per eMail. Abgründe hatte ich ja schon einmal beleuchtet. Nun kommen wir zu den (hoffentlich) witzigeren Dingen:

Auf der Autofahrt überfällt mich heimtückisch ein Dialog. Ich kichere hinter dem Lenkrad und grinse dumm. Und habe weder Diktiergerät (Ich habe eins! Wirklich! Ich weiß nur nicht, wo es sich gerade versteckt! Aber für genau solche Situationen habe ich es gekauft.) noch Notizbuch bei mir. Ja, dumm. Passiert mir auch nicht wieder, versprochen. Während meine beiden Hauptfiguren sich also fröhlich in meinem Kopf unterhalten, das gleiche Gespräch sogar mehrfach von vorne anfangen und dabei jedes Mal noch besser gestalten, bin ich versucht, meine beste Freundin anzurufen. Freisprecheinrichtung ist ja vorhanden, daran scheitert es nicht. Genau, beste Freundin anrufen und ihr den Dialog diktieren! Bis mir dämmert, dass ich kaum über den zweiten Satz hinauskommen werde, weil meine Helden es mir natürlich schwer machen, ohne lautes Gelächter diesen Dialog auszusprechen. Dann bin ich mir ziemlich sicher, dass meine Freundin beim Aufschreiben genau an diesem zweiten Satz scheitern wird. Wahrscheinlich wird sie lachend über ihrem Netbook zusammenbrechen.

Ich bin also brav nach Hause gefahren und dort an den Rechner gestürzt, um diesen verflixten Dialog aus meinem Kopf zu bannen.

Andere Augenblicke, in denen mein Umfeld überzeugt sein musste, dass ich mein letztes bisschen Verstand verloren habe:

Wie geht Geheimtinte? Ich breche mitten im Satz ab und stürme die Küche, um alles Benötigte zusammenzuraffen und in mein Arbeitszimmer zu verschleppen, wo ich hoffentlich ungesehen experimentieren kann. Die Geruchsentwicklung brachte mir natürlich die Frage ein, ob ich etwas auf dem Herd vergessen habe.

Kann jemand mit Handschellen eine Leiter hinaufklettern? Diese Frage war spontan nicht zu beantworten. Ich musste mir ja erst Handschellen bestellen, auf meine geplagte Postzustellerin lauern und dann warten, bis wirklich niemand auf meinen Hof kommen könnte. Dann hangelte ich mich die Leiter hinauf und bekam natürlich sofort Publikum, das aber kopfschüttelnd abzog, nachdem ich peinlich berührt (und mit schmerzenden Handgelenken geplagt) nur ein Wort hervorbrachte: „Recherche!“

Inspirationsfutter für Fantasyautoren

1180 ließ Henry II. von England Dover Castle bauen. Eine Verteidigungsanlage, die gleichzeitig ein Monument der englischen Baukunst sein sollte. Wenn wir heutzutage eine alte Burg(-ruine) sehen, ist sie kahl, nur noch eine leere Hülle. Teppiche, Möbel etc. wurden entweder ausgeräumt oder sind wie Wandputz und Malerei zerfallen. English Heritage hat sich an das Experiment gemacht, auf Basis von Forschungen Dover Castle wieder in jenem Glanz erstrahlen zu lassen, den es zu Lebzeiten Henrys aufgewiesen haben muss.

Youtube: Time Team special zu Dover Castle (BBC)

Perfekt für Fantasyautoren, Detailaufnahmen einer Festung des 12. Jahrhunderts zu sehen, sich inspirieren zu lassen, Inneneinrichtungen zu sehen, wie sie ausgesehen haben mögen. Klasse!

 

Kampfszenen schreiben

StreitkolbenDies wird keine perfekte Anleitung, wie ab sofort jeder die absolut mitreißende, umwerfende und turbotolle Kampfszene schreiben kann. Aber ich habe nun von mehreren Seiten gehört, dass das Schreiben dieser Szenen schwer fällt – und dass meine Kampfszenen gefallen. Dankeschön!

Ich schreibe Heroic Romantic Fantasy – „Schmachten & Schlachten“, und natürlich dürfen da Kampfszenen nicht zu kurz kommen, präsentieren sie doch den Helden im martialischen Leuchten eines entfesselten Kriegsgotts. Mein Setting ist also ganz grob dem europäischen Mittelalter vergleichbar. Waffen und Rüstungen müssen nicht immer aus dieser Epoche und Region kommen. Meine Jungs arbeiten mit Axt (Zweihandaxt, die es so nur in der Fantasy gibt), Schwert, Säbel, Streitkolben, Klingenstab, Dolch und notfalls auch Stilett. Sie sind unterschiedlich gerüstet, wobei nur der Wikinger-Grimmenhelm (Brillenhelm) meistens auftaucht.

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