Stolperfallen in der Fantastik – das richtige Wort im richtigen Umfeld

Abgesehen von meinem ewigen Wettern gegen Anglizismen, wenn es ein ganz normales deutsches Wort stattdessen auch tut (ich bin einfach geschädigt durch verbale Brutalitäten wie „Peoplesteuerung“), habe ich Hasswörter. Wörter, die ich vom Klang, vom Wortbild her nicht mag und nicht verwende. Der erste Gänsehautverursacher ist „schmunzeln“, der zweite „schauen“. Das musste mal gesagt werden.

Ein Problem, das gegen diese Befindlichkeiten erheblich schwerer wiegt, ist meiner Meinung nach die Wortwahl im Roman. Ich schreibe Heroic Romantic Fantasy, in einer High-Fantasy-Welt angesiedelt. Davon abgesehen, dass ich einige Wörter schlichtweg nicht verwenden kann, weil die dazugehörigen Dinge noch nicht erfunden oder entdeckt sind, bietet die nicht auf unserer Welt spielende Fantasy böse Stolperfallen und viele unangemessene Wörter. Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass High Fantasy meistens gleichbedeutend mit einem dem europäischen Mittelalter vergleichbaren Hintergrund einhergeht. Da wird GeEuert und GeIhrt (bei mir duzen sich alle, weil ich das GeEuer nicht mag, aber das ist eine andere Geschichte), Schwert und Streitkolben, Magie und Kräuterheilkunde beherrschen das Bühnenbild.

Fangen wir mal simpel und (hoffentlich) eindeutig an: Nilpferd.

Kann ja sehr gut sein, dass es in der zu beschreibenden phantastischen Welt einen Fluss mit Schilf, Sandbänken und Co gibt. Auch sehr gut möglich, dass da Nilpferdartige herumstampfen. Nur: Der Nil ist ein echter Fluss in Ägypten. Meine grauen Stampfer kann ich Flusspferde nennen, nicht aber Nilpferde.

In ähnliche Fallen bin ich schon selbst gelaufen: Stentorstimme zum Beispiel. Ein lautes Organ, das auch am anderen Ende der Stadt vernommen werden kann. Das Bild hat sofort jeder Leser vor Augen. Doch der Herr Stentor kämpfte der griechischen Mythologie zufolge im Trojanischen Krieg und hat somit wieder irdischen Ursprung. Das Gleiche gilt für drakonische Strafen (Herr Drakon war ein athenischer Gesetzgeber), eine spartanische Möblierung (Sparta!) oder den klangvollen Namen einer ägyptischen Königin. Der Name kann natürlich auch zufällig in meiner Fantasy-Welt entstanden sein, aber ich lenke den Leser damit auf eine falsche Fährte. Wo Cleopatra draufsteht, muss auch Ägypten drin sein! Ein Export in eine nicht-irdische Welt ist nicht weise. In die gleiche Kategorie fallen zum Beispiel: Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Zum Teufel! Er befand sich auf einem Kreuzzug. Gang zu Canossa, Pyrrhussieg, Sisyphosarbeit …

Auch Dinge, die nach ihrem Erfinder benannt wurden, wie zum Beispiel Schrappnell, Bertillonage, Zeppelin und Bunsenbrenner stellen ein Problem dar! In einem High-Fantasy-Setting finden sie bestimmt eher selten Einzug, doch gibt es ja genügend Spielwiesen der Fantastik, in die sich solche Worte einschmuggeln können.

Und dann gibt es da noch die nicht zeitgemäßen Wörter.

Wir haben einen jungen Recken in einer schönen, eigens erdachten Welt, die von der Entwicklung der frühen Wikingerzeit rund um den ersten Lindisfarne-Überfall entspricht. Wir haben ihn liebevoll ausgerüstet und betrachten nun seinen Tagesablauf:

Vor dem Training ging Erik noch joggen. Energisch sprintete er durch den Wald und dachte dabei an das Rendezvous mit Frigga vom vorherigen Abend. Schnaufend wie eine Dampflok nahm er die Steigung des Wegs. Sport war noch nie sein Hobby gewesen, doch er musste fit sein für die nächste Schlacht.

Stolpere ich beim Betalesen über Solches und Ähnliches, schreibe ich nur das Wort „Setting“ an den Rand. Und habe selbst schon genügend solcher Kommentare erhalten. Die Beispielliste lässt sich gewiss noch reichlich erweitern!

Denken wir an Star Wars, Erster Teil der Original-Trilogie: ein törichter, idealistischer Kreuzzug …

Ja, sie lauern überall!

Recherche und Inspiration: Burgen

Wir Schleswig-Holsteiner haben wenige noch sichtbare Burgen. Anders als in England oder Schottland, wo Besucher scheinbar alle zwei Meter über eine Burgruine stolpern, wurden hier Turmhügelburgen – eine ist wunderschön in der Nähe von Lütjenburg rekonstruiert worden – erbaut. Von diesem Burgtyp mit Holzturm auf künstlich aufgeschütterter Motte und Vorburg drumherum blieb nicht viel sichtbar. Das rechte Bild zeigt die Burgmotte der ersten Festung zu Bispens Hald in Dänemark.

 

 

 

 

Ich schreibe Fantasy, und ich habe ein klares Bild vor Augen, sobald ich an eine Burg denke. In vielen Variationen hat sich eine Festung, die ich schon als Kind besichtigen konnte und dabei jede Sekunde genoß, in meine Geschichten geschlichen:
Spöttrup

Als und Wie – oder doch als wie?

Als und wie als falsche Kommatasignalgeber:

Ja, die beiden leiten gerne mal Nebensätze ein, die dann natürlich ein Komma benötigen. Aber nicht jedes als oder wie leitet einen Nebensatz ein (davon mal ab, dass die Unterscheidung dieser beiden kleinen Wörtchen auch manchem Probleme bereitet. Auch schon gehört: als wie. Die ultimative Formulierung, um der Unterscheidung elegant aus dem Weg zu gehen: Er ist größer als wie sie.), und wenn sie das nicht tun, gibt es auch kein Komma.

Sie war größer als er.

Sie sah aus wie ein Erdhörnchen.

Kein Verb im vermeintlichen Nebensatz, also ist es auch kein Nebensatz und bleibt vom Komma verschont.

Überhaupt liebe ich Kommata – wenn sie da stehen, wo sie hingehören. Manch Autor nutzt den homöopathischen Ansatz der Zeichensetzung und spart seine Kommata eisern für magere Zeiten. Aber auch den ballistischen Ansatz habe ich schon entdecken müssen: Meinst du, Stiefel? Was zum Kuckuck macht das Komma da?

Betalesen III

Tina Alba hat über den Umgang mit Kritik gebloggt. Das paßt mir gerade wunderbar in den Kram, und ihre Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen.

Die bislang härteste Kritik zu einer veröffentlichten Kurzgeschichte attestierte mir einen "Schmonzettenschreibstil". Autsch, das hat richtig, richtig wehgetan. Da eine andere Kurzgeschichte dem Rezensenten allerdings freundliches Lob entlockte, lernte ich mit dem Verriß zu leben. Was soll ich auch anderes tun? Mit keiner Geschichte kann ich es jedem recht machen, jeden erreichen und begeistert. Das ist einfach so. Ich gebe mein Bestes.

Womit ich den Bogen zurück zum Betalesen schlage: Sobald ich für einen neuen Autor betalese, schreibe ich meinen üblichen Spruch, den ich all meinen Anmerkungen vorausstelle:
Dies stellt meine Meinung dar. Nichts davon ist böse oder als persönlicher Angriff gemeint. Dies sind meine Hilfestellungen, mit denen Du meiner Meinung nach Deine Geschichte verbessern kannst. Nimm, was Du gebrauchen kannst, vergiß den Rest. Nur bei den Kommata lasse ich nicht mit mir verhandeln.

Und genauso, denke ich, sollte jeder Autor die Meinungen eines Betalesers aufnehmen. Manchmal gibt es Mißverständnisse (Warum? Vielleicht hat der Autor etwas nicht deutlich genug ausgedrückt, weil er seinen Text und die Hintergründe gut kennt. Möglicherweise hat der Betaleser zwei Seiten vorher ein wenig unaufmerksam gelesen, weil er/sie sich auf Wortwiederholungen konzentriert hat.). Manchmal stört ein Betaleser sich an einer Autorenmarotte, die sparsam dosiert gar nicht schlimm wäre. Ich zum Beispiel habe eine unüberwindliche Aversion gegen das Verb "schauen". Ich behaupte, daß das irgendwie dialektisch ist. Südlich der Elbe, ganz bestimmt. Und wenn ich dann auf einen Autor stoße, der dieses "schauen" inflationär oder sogar alternativlos verwendet, mache ich bissige Anmerkungen.

Ich gebe mir auch Mühe, gelungene Stellen und Formulierungen zu loben. Diesbezüglich bin ich ein wenig zu sparsam, und das weiß ich. Dabei freue ich mich doch selbst immer, wenn ich ein kurzes, aber prägnantes *kicher*, *sabber* oder *YEAH!* am Rand notiert finde.

Ich weiß, wie besorgt und nervös ich bin, wenn eine meiner Geschichten an einen Betaleser geht. Wird sie gefallen? Oder einfach nur als doof und platt angesehen? Habe ich es geschafft, meine regelrechts und wirklichs zu bändigen? Sind da wieder hunderttausende Verbfaulheiten und Wortwiederholungen drin? Aber das Wichtigste: Kriegt mein Betaleser an den richtigen Stellen Herzklopfen?

Tina Alba bezeichnet Geschichten als Kinder. Und das sind sie. Ich halte es für sehr wichtig, daß sie auch ohne eine schützende Autorin, die wie eine Helikopter-Mama um sie herumrennt, laufen lernen. Auch wenn das manchmal weh tut.

Betalesen II

Ich erfreue mich ja nicht nur der tatkräftigen Unterstützung von tapferen Betalesern, ich lese auch selbst Geschichten anderer Autoren in unterschiedlichen Phasen. Besonders gerne kümmere ich mich um den finalen Feinschliff.

Das große Vergnügen hatte ich bereits mit Sabrina Železnýs „Kondorkinder“ (Band 1 und 2) und einigen anderen Geschichten aus ihrer Feder. Auch Helen B. Krafts „Höllenjob für einen Dämon“ durfte ich den letzten Schliff verpassen und andere Romane und Kurzgeschichten lesen, bevor jemand anderer sie zu Gesicht bekam. Mindestens ebenso viel Freude bereitete mir Sarah Königs „Ferdinand von Schnatter der Viertelnachzweite“ – ihr Romandebüt! Zur Zeit lese ich Tina Albas herrlichen Roman über Katzen in Rom – samt mythologischem Hintergrund, der sich gewaschen hat.

Und worauf achte ich beim Feinschleifen so?
Auf überflüssige Leerzeichen, freche Tippfehler, die mehrfacher Durchsicht entwischt sind, Sätze mit Knoten und noch viel mehr. Unter andem auch auf:

Bezugsfehler
Da war ich mal sehr streng und habe jeden angestrichen, den ich finden konnte. Aber dank weisem Rat anderer Autoren sehe ich das nun nicht mehr ganz so eng. Der Satz ist verständlich, der Leser hat ein funktionierendes Hirn, ich muß nicht jeden Bezugsfehler ermorden (das bedeutet nämlich, daß entweder der Name der handelnden Figur im Sekundentakt genannt wird oder daß ich verkrampft nach Umschreibungen suche). Mittlerweile gehe ich nur noch auf die Jagd nach wirklich sinnentstellenden Bezugsfehlern und streiche solche an, die mich grinsen lassen. Nicht gut in einer hochdramatischen Szene, wenn ein Bezugsfehler ungewollte Komik in Spiel bringt.
Aber es gibt so Niedliche! Die Beispiele (verfremdet!) habe ich beim Korrekturlesen in eigenen Romanen und beim Betalesen gefunden (nicht unbedingt in den oben genannten Werken, Bezugsfehler schleichen überall herum und kichern leise, wenn man sie entdeckt!):
Sie füllte Eintopf in die Schale. Er lächelte dankbar.
Die Suppe duftete köstlich. Sie freute sich auf die Mahlzeit.
Der Drucker surrte leise, die Uhr tickte. Die Stille zwischen ihnen hatte etwas Beruhigendes.
Der Turm sank in sich zusammen. Er schrie vor Entsetzen.