Königsmacher – Kletterwand

Button KönigsmacherIch bin ja bekannter- und bekennendermaßen kein großartiger Plotter. Whiteboard, bunte Stifte, noch buntere Magneten und viele Kärtchen sucht man bei mir vergebens. Oder ein Computerprogramm, das all das eingebaut hat. Ich vergleiche meine Art des Plottens ja gerne mit einem nebelgefüllten Talkessel, bis mir – angesichts von Jiras, der darauf brennt, in den königlichen Palast einzubrechen und dafür den könglichen Efeu tatendurstig ins Auge gefasst hat – der Vergleich mit einer Kletterwand kam:

Ich stehe unten und muss nach oben. Es gibt mehrere Wege und Möglichkeiten, bunte Griffe, an denen ich mich hinaufhangeln kann (oder könnte, denn das würde ich an einer echten Kletterwand niemals schaffen. Ich kriege in einem Meter Höhe Nasenbluten und würde ohnehin wie Jabba the Hutt an der Wand kleben, okay). Gerade musste ich einige Griffe sperren, weil sie zu unsicher waren. Im Romanbegriff: unplausibel.

Lieber Jiras, warum sollte der Ratsherr, der dich im königlichen Schlafzimmer erwischt, nicht umgehend nach der Wache brüllen und dich einkerkern, foltern und hinrichten lassen? Warum sollte er deinen Erklärungsversuchen – ja, du bist charmant und sehr beredt, aber verflixt noch einmal du stehst im königlichen Schlafzimmer! – auch nur einen Wimpernschlag lang zuhören? Und danach dir alle Geheimnisse des Reichs ausplaudern? Du brauchst jetzt nicht schmollen und bockig werden, denn ich habe da oben links einen viel schöneren Kletterweg entdeckt, guck doch mal!

Autoren sind langweilig

NotizenWas wir tun: Wir sitzen vor einem Schreibgerät (es gibt viele, die von Hand vorschreiben und später brav abtippen, ich schreibe direkt am PC), starren es mitunter minutenlang an und verfallen dann ins wilde Schreiben. Oder quetschen uns einen Satz raus, starren den dann eine Weile an, löschen ihn, stellen ihn um oder verfluchen ihn stumm. Oder schreiben weiter.

Unterhaltsam werden wir unser Umfeld nur manchmal. Ich bete immer, dass kein armer Abhörer meine Telefonate mit anderen Autor(inn)en anhören muss. Er würde mitunter entsetzt sein oder sich scheckig lachen. Das gleiche gilt für Kontakte per eMail. Abgründe hatte ich ja schon einmal beleuchtet. Nun kommen wir zu den (hoffentlich) witzigeren Dingen:

Auf der Autofahrt überfällt mich heimtückisch ein Dialog. Ich kichere hinter dem Lenkrad und grinse dumm. Und habe weder Diktiergerät (Ich habe eins! Wirklich! Ich weiß nur nicht, wo es sich gerade versteckt! Aber für genau solche Situationen habe ich es gekauft.) noch Notizbuch bei mir. Ja, dumm. Passiert mir auch nicht wieder, versprochen. Während meine beiden Hauptfiguren sich also fröhlich in meinem Kopf unterhalten, das gleiche Gespräch sogar mehrfach von vorne anfangen und dabei jedes Mal noch besser gestalten, bin ich versucht, meine beste Freundin anzurufen. Freisprecheinrichtung ist ja vorhanden, daran scheitert es nicht. Genau, beste Freundin anrufen und ihr den Dialog diktieren! Bis mir dämmert, dass ich kaum über den zweiten Satz hinauskommen werde, weil meine Helden es mir natürlich schwer machen, ohne lautes Gelächter diesen Dialog auszusprechen. Dann bin ich mir ziemlich sicher, dass meine Freundin beim Aufschreiben genau an diesem zweiten Satz scheitern wird. Wahrscheinlich wird sie lachend über ihrem Netbook zusammenbrechen.

Ich bin also brav nach Hause gefahren und dort an den Rechner gestürzt, um diesen verflixten Dialog aus meinem Kopf zu bannen.

Andere Augenblicke, in denen mein Umfeld überzeugt sein musste, dass ich mein letztes bisschen Verstand verloren habe:

Wie geht Geheimtinte? Ich breche mitten im Satz ab und stürme die Küche, um alles Benötigte zusammenzuraffen und in mein Arbeitszimmer zu verschleppen, wo ich hoffentlich ungesehen experimentieren kann. Die Geruchsentwicklung brachte mir natürlich die Frage ein, ob ich etwas auf dem Herd vergessen habe.

Kann jemand mit Handschellen eine Leiter hinaufklettern? Diese Frage war spontan nicht zu beantworten. Ich musste mir ja erst Handschellen bestellen, auf meine geplagte Postzustellerin lauern und dann warten, bis wirklich niemand auf meinen Hof kommen könnte. Dann hangelte ich mich die Leiter hinauf und bekam natürlich sofort Publikum, das aber kopfschüttelnd abzog, nachdem ich peinlich berührt (und mit schmerzenden Handgelenken geplagt) nur ein Wort hervorbrachte: „Recherche!“

Wann ist ein Held ein Held?

NotizenHelden unterscheiden sich je nach Genre. Was einen Protagonisten in einem Liebesroman anziehend macht, würde ihn vielleicht in einem Thriller zur Fehlbesetzung machen. Romane sind ein kleiner Urlaub, eine Auszeit, die nur uns und dem Helden gehört, mit dem wir mitfiebern, mitleiden, lachen und zittern wollen.

Helden müssen Macken, Schwächen, Kanten haben. Auf Hochglanz poliert, glattgebügelt, fehlerfrei, allwissend und allkönnend – langweilig! Das ist wie ein ganzer Roman nur Friede, Freude und Eierkuchen. Wir brauchen Konflikte – innere wie äußere. Wir brauchen Gegensätze – immerhin ziehen die sich ja bekanntlich an (und mitunter auch gegenseitig aus, jaja).

Ein unrühmliches Beispiel aus meiner eigenen Feder: Ich schuf einen prachtvoll anzusehenden Helden, natürlich ein großer Krieger, dabei allerdings verständnisvoll, einfühlsam und vollkommen hilfsbereit, selbstlos meine Heldin zu retten. Auf Seite 200 konnte ich mein eigenes Schnarchen der Langeweile hören, holte mir fachfrauliche Hilfe und bekam die vernichtende und vollkommen berechtigte Kritik: Der Kerl ist ein langweiliger Frauenversteher. Er braucht eine Kante! Die bekam er. Verständnisvoll und ein augenscheinlicher Frauenversteher blieb er – beharrlich auf der Suche nach Schwachpunkten, bei denen er einhaken und seinen Vorteil abschöpfen kann. Mit Fürsorge versuchte er ab da, meine Heldin zu steuern, damit sie das tat, was er wollte. Und wahrscheinlich kam er sich dabei immer noch sehr selbstlos vor.

Kratzer im Lack, Kante, Charakter – wie auch immer ich es nenne, meine Helden tragen Schatten mit sich herum. Ob sie nun vollkommen überzeugt sind, der beste Liebhaber aller Zeiten zu sein („Es wird dir gefallen.“), ob sie eine Phobie mit sich herumschleppen, in der Vergangenheit Böses durchlebten oder einfach der Welt größter Egoist sind, es formt sie und sorgt für Konfliktpotential und damit Spannung. Ein Held muss auch mal was auf die Nase bekommen. Wenn er lässig und mühelos durch alle Gefahren spaziert, ist das ebenso langweilig wie der oben erwähnte glattgebügelte Hochglanz.

Interessant dazu ist die Leserabstimmung des Empire-Magazines zur besten Filmfigur: Platz 3: Han Solo (charmanter Schurke, auf eigenen Vorteil bedacht, fällt in Liebesdingen und mit dem defekten Antrieb der Falcon oft genug auf die Nase), Platz 2: James Bond (unvergessen Sean Connerys Gesichtsausdruck, nachdem ein Gegner auf einen Schwung bondiger Urinprobe im Gesicht darauf reagierte, als wäre es hochkonzentrierte Salzsäure) und Platz 1: Indiana Jones (schmutzig, verschwitzt, alles bis auf den Ellenbogen tut weh, Angst vor Schlangen, tappt liebenswürdig in Fallen und vertraut den falschen Leuten).

In diesem Sinne hoffe ich, dass ich mit meinen Helden auf der richtigen Spur bin. Spaß macht es mir allemal, mit ihnen ein wenig die Unterwelt aufzuwischen, ihrem überbordenden Ego gemeine Tiefschläge zu verpassen und natürlich ganz erheblich an ihrem Lack zu kratzen.

P.S. Wer hat jetzt auch Herbert Grönemeyer im Ohr? Wann ist ein Held ein Held? Dadammda …

Inspirationsfutter für Fantasyautoren

1180 ließ Henry II. von England Dover Castle bauen. Eine Verteidigungsanlage, die gleichzeitig ein Monument der englischen Baukunst sein sollte. Wenn wir heutzutage eine alte Burg(-ruine) sehen, ist sie kahl, nur noch eine leere Hülle. Teppiche, Möbel etc. wurden entweder ausgeräumt oder sind wie Wandputz und Malerei zerfallen. English Heritage hat sich an das Experiment gemacht, auf Basis von Forschungen Dover Castle wieder in jenem Glanz erstrahlen zu lassen, den es zu Lebzeiten Henrys aufgewiesen haben muss.

Youtube: Time Team special zu Dover Castle (BBC)

Perfekt für Fantasyautoren, Detailaufnahmen einer Festung des 12. Jahrhunderts zu sehen, sich inspirieren zu lassen, Inneneinrichtungen zu sehen, wie sie ausgesehen haben mögen. Klasse!

 

Kurzfassung: Schreibratgeber vom Größten

Ich mag Shakespeare, das hat sich ja schon bestimmt herumgesprochen. Während ich mit einer Autorenkollegin ein Romanproblem besprach („Die wandern da zwei Wochen lang herum. Ich will das nicht beschreiben!“), kam mir der Prolog von Heinrich V. natürlich ins Hirn: Überspringt der Zeiten Lauf, die nicht der Handlung dienen.

Und da der ganze Prolog mir so schreibratgeberisch erscheint, möchte ich ihn dringend mit Euch teilen. Aus der wundervollen Verfilmung von Kenneth Branagh mit Derek Jacobi als Chorus: Oh, Muse des Feuers, gäbe es Dich doch …

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