Betalesen II

Ich erfreue mich ja nicht nur der tatkräftigen Unterstützung von tapferen Betalesern, ich lese auch selbst Geschichten anderer Autoren in unterschiedlichen Phasen. Besonders gerne kümmere ich mich um den finalen Feinschliff.

Das große Vergnügen hatte ich bereits mit Sabrina Železnýs „Kondorkinder“ (Band 1 und 2) und einigen anderen Geschichten aus ihrer Feder. Auch Helen B. Krafts „Höllenjob für einen Dämon“ durfte ich den letzten Schliff verpassen und andere Romane und Kurzgeschichten lesen, bevor jemand anderer sie zu Gesicht bekam. Mindestens ebenso viel Freude bereitete mir Sarah Königs „Ferdinand von Schnatter der Viertelnachzweite“ – ihr Romandebüt! Zur Zeit lese ich Tina Albas herrlichen Roman über Katzen in Rom – samt mythologischem Hintergrund, der sich gewaschen hat.

Und worauf achte ich beim Feinschleifen so?
Auf überflüssige Leerzeichen, freche Tippfehler, die mehrfacher Durchsicht entwischt sind, Sätze mit Knoten und noch viel mehr. Unter andem auch auf:

Bezugsfehler
Da war ich mal sehr streng und habe jeden angestrichen, den ich finden konnte. Aber dank weisem Rat anderer Autoren sehe ich das nun nicht mehr ganz so eng. Der Satz ist verständlich, der Leser hat ein funktionierendes Hirn, ich muß nicht jeden Bezugsfehler ermorden (das bedeutet nämlich, daß entweder der Name der handelnden Figur im Sekundentakt genannt wird oder daß ich verkrampft nach Umschreibungen suche). Mittlerweile gehe ich nur noch auf die Jagd nach wirklich sinnentstellenden Bezugsfehlern und streiche solche an, die mich grinsen lassen. Nicht gut in einer hochdramatischen Szene, wenn ein Bezugsfehler ungewollte Komik in Spiel bringt.
Aber es gibt so Niedliche! Die Beispiele (verfremdet!) habe ich beim Korrekturlesen in eigenen Romanen und beim Betalesen gefunden (nicht unbedingt in den oben genannten Werken, Bezugsfehler schleichen überall herum und kichern leise, wenn man sie entdeckt!):
Sie füllte Eintopf in die Schale. Er lächelte dankbar.
Die Suppe duftete köstlich. Sie freute sich auf die Mahlzeit.
Der Drucker surrte leise, die Uhr tickte. Die Stille zwischen ihnen hatte etwas Beruhigendes.
Der Turm sank in sich zusammen. Er schrie vor Entsetzen.

Recherche zum Thema Pferde

Die Frage kam auf, wie man ein Pferd durch ein Areal schaffen kann, das mit optischen Täuschungen Abgründe und andere Hindernisse vorgaukelt. Die Idee: Augen verbinden!

Ob das geht? Ich muß so etwas ja möglichst sofort und auf der Stelle ausprobieren. Also schnappte ich mir einen Schal und ging auf die Suche nach einem vertrauenden Pferd.

Vertrauendes Pferd I (Darius) versprach, mich in seiner Tränke zu ersäufen, wenn ich ihm was vor die Augen tüddel. Okay.

Vertrauendes Pferd II (Naomi) stand gottergeben still und ließ sich die Augen verbinden. Als ich sie anführte, folgte sie sehr zögerlich. Nach je drei, vier Schritten blieb sie stehen. Ich mußte gut auf sie einreden und energisch am Halfter zupfen/ziehen, damit sie sich wieder in Bewegung setzte. Langsam und vorsichtig.

Die Testbedingungen stimmten nicht ganz mit der Problemstellung überein:
Naomi befand sich in Gesellschaft der ihr vertrauten und untergeordneten kleineren Pferde auf einer ihr bekannten Koppel. Sie wußte, wo sie stand, wo die Senke und wo die Scheunenwand sich im Verhältnis zu ihr befanden.

Eine Tagesreise wird da wohl fix zu zwei oder drei. Das Pferd bleibt immer wieder stehen. Ich habe den Schal nur für den Minitest über eine Strecke von max. zehn Metern um ihren Kopf gelassen und habe nicht gewartet, bis das Ding sie so aufregt, daß sie energisch werden möchte. Zu meiner Verteidigung: Naomi ist ein Kaltblutmix von 1,75 m Stockmaß und tierärztlich geschätzten 600 kg. Außerdem mag sie mich, und das möchte ich natürlich nicht aufs Spiel setzen.

Betalesen I

In ihrer lockeren Reihe „WettbewerbsNoGos“ stellt Isabella Benz auch die Frage, ob Autoren ihre Geschichten vor einem Einreichen gegenlesen lassen.

Ich bin der Meinung: aber auf jeden Fall!

Hier hab ich dazu schon mal Senf gegeben:
Den Rat anderer suchen und aus dem stillen Kämmerchen kommen. Von sich selbst kann man nichts lernen. Rückmeldungen ernst nehmen. Nicht jede Rückmeldung ist das Ei des Kolumbus und muss sklavisch umgesetzt werden, aber es gibt einen Grund, warum diese Rückmeldung erfolgt ist.

Die Hilfe anderer, einmal einen frischen Blick auf eine Geschichte zu werfen, die ich geschrieben, gelesen und überarbeitet habe, ist für mich Gold wert. Dinge, die ich beim Schreiben als selbstverständlich ansah (weil ich sie recherchiert oder mir ausgedacht habe), sind einem uneingeweihten Leser vielleicht unklar. Zusätzlich entwickelt jeder Autor im Zuge seines Schreibenlernens Marotten, Dinge, die ihr/ihm sehr gut gefallen und vielleicht auch besonders leicht von der Hand gehen. Da ich auch selbst betalese, sind mir solche Eigenheiten bei anderen Autoren schon aufgefallen. Sparsam eingesetzt können sie eine Signatur sein. Aber wie immer: Die Dosis macht das Gift.

Solche Marotten habe ich auch! Um einige weiß ich, und ich bemühe mich, sie mir selbst abzugewöhnen. Zeitweises Lieblingswort war „regelrecht“. Bis ich merkte, daß ich es in einem Satz mehrfach unterbrachte!
Sie quetschte sich regelrecht an den Männern vorbei und flog regelrecht den Gang entlang, um sich dann regelrecht neben dem Gefallenen auf die Knie zu werfen.
Ich schlage gerade regelrecht meinen Kopf auf die Tischplatte. Aber: Das da oben habe ich geschrieben und ganz ernst gemeint. Es ist viele Jahre her, kann ich zu meiner Verteidigung vorbringen. Und ich habe es ganz alleine bemerkt.
Die Lektorin meiner ersten Diebesgeschichte („Dame Jiro“ in der ebook-Anthologie Diebesgeflüster im Verlag Aeternica) stieß mich dann mit der Nase auf mein neuestes Lieblingswort: wirklich. Wirklich konnte ich wirklich reichlich in Texte einbringen. Wirklich!

Zu solchen liebreizenden Lieblingswörtern kommen dann noch andere Angewohnheiten, die ich selbst nicht ganz so leicht enttarnen konnte. Das tat dann Helen B. Kraft. Meine Marotten heißen nun „Paladine“, da Helen sie zuallererst bei Cajan im großen Stil enttarnte und mir unter die Nase rieb. Cajan von Crollan ist der Paladin der Königin. Nun braucht Helen nur noch PALADIN! an den Seitenrand zu schreiben, und ich weiß genau, welcher Sünde ich mich schuldig gemacht habe.

Drabble

„Großmeister der Magie“

Vor ihm lag das große Zauberbuch. Die Zaubersprüche tanzten vor seinen Augen. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Der Zauberhut drückte ihn fast zu Boden, der Mantel roch nach Schwefel. Seit einer Stunde versuchte er es nun und erntete Mißerfolg nach Mißerfolg. Er intonierte die überlieferten Worte, machte die richtigen Handzeichen, schwenkte angemessen den fast zwei Meter langen Zauberstab, während um ihn herum Kerzen und geheimnisvolle Kräuterwachse brannten. Aber es brachte nichts, der Zauber ließ sich nicht vollenden.
Seine Frau nörgelte: „Laß uns doch einfach ins Auto steigen und zu McDonalds fahren. Bis du einen Burger beschworen hast, bin ich verhungert!“

Sprache lebt!

Wenn ich an altertümliche Schreibweisen denke (laut einer besonders niedlichen Formulierung Terry Pratchetts „oh, das war vor Erfindung der Rechtschreibung!“) wie Thier und Thür, die uns heute sehr falsch vorkommen, bin ich froh, daß Sprache sich entwickelt. Die Rechtschreibreform und deren zahlreiche Reformen gefielen mir nicht immer, auch wenn ich die Logik mit ß und ss endlich verstanden habe. Als Schleswig-Holsteinerin habe ich damals gegen die Rechtschreibreform gestimmt, weil einige Sachen mir einfach weh taten (einbläuen zum Beispiel, oder der grauenhafte Stängel).

Im Duden hat mittlerweile die Mehrzahl von Komma als Kommas Einzug gehalten. Wann kommt Kaktusse?

Aber es gibt Dinge, die hoffentlich niemals Einzug im Duden finden. Hier ein Beispiel:

Der falsche Genitiv!
Dem Kai seine Schwägerin ihr Auto sein Gaspedal klemmte. Das sagt alles, nicht wahr? Manch einer mag bei Namen wie Thomas und Klaus versucht sein, den Genitiv deutlich zu machen. Klaus sein Auto … Autsch! So wie es das mittlerweile „Deppen-Apostroph“ genannte, aus dem Englischen übernommene, im Deutschen aber schlichtweg falsche Genitiv-Apostroph-S gibt, existiert aber in Schriftform eine legale Methode, die inzwischen salonreif ist. Ich nutze sie auch:
Klaus‘ Schwert. Da, das Apostroph ist richtig!
Martin’s Schwert. Ich schlage den deutschsprachigen und deutschschreibenden Autor, der das benutzt! Persönlich!