Ich hatte ja schon das Thema „Wann ist ein Held ein Held?“ (und habe jetzt prompt wieder Grönemeyer im Ohr). Aber was für Helden gilt, gilt auch für Heldinnen, nur offenbar ist es da schlimmer. Eine weibliche Hauptfigur – gerade auch noch im Genre Romance – muss weiblich sein.
Was ist weiblich? Reichen Ovarien und Brüste dafür aus? Das doppelte X-Chromosom? Das Wahlrecht?
Ich kenne Frauen, die fahren einen Smart. Andere haben keinen Führerschein. Wieder andere sausen lieber mit einem Fahrrad durch die Gegend, fahren einen Transporter oder ein Schlachtschiff mit Stern.
Es gibt Frauen, die mögen kein Marzipan und finden Rosa scheußlich. Es gibt Frauen, die lieben Rosenkohl. Ich kenne Frauen, die sich vegan ernähren, vegetarisch, low-carb oder omnivor. Ich kenne Frauen, die gerne Kuchen backen, grillen oder ein Rezept nachkochen mit Zutaten, von denen ich noch nie gehört habe.
Ich kenne dicke, dünne, schlanke, barocke Frauen. Welche mit Naturkrause, Dauerwelle und lila gefärbtem Haar. Ich kenne Frauen mit Gelnägeln, welche mit ganz ratzekurzen Fingernägeln. Frauen, die niemals ohne Makeup aus dem Haus gehen würden und welche, die sich noch nie geschminkt haben. Frauen, die hohe Absätze lieben, Klorollenüberzüge für das Auto häkeln, weben, Socken stricken, nicht häkeln können, Zaunpfosten für eine Pferdeweide einschlagen, einen platten Reifen am Auto selbst wechseln können und welche, die Öl in das Kühlwasser kippen. Frauen mit Schuhgröße 36 und Frauen mit Schuhgröße 42.
Ich kenne Frauen, die nicht mit einem Smartphone umgehen können, die selbst ihre Lampen anbauen und Ikea-Regale besiegen. Es gibt Frauen, die Cola, Kaffee und/oder Tee trinken. Frauen, die wissen, wo ein Komma im Satz hinmuss. Frauen mit ordentlicher Handschrift und andere mit einer Sauklaue.
Ich kenne Frauen, die Angst vor Pferden haben. Frauen mit Zöpfen, mit kurzen Haaren, mit Rastalocken, mit Tätowierungen und rotem Nagellack. Ich kenne Frauen mit Heuschnupfen. Frauen, die glücklich Single sind, die für Mann und Kinder leben, die in komplizierten Partnerschaften stecken und lieben, leben, lachen. Es gibt Selbständige, Vollzeit-Hausfrauen, Vollzeit-Berufstätige und Teilzeitarbeitnehmerinnen.
Was ist weiblich?
Dürfen in Liebesromanen nur weiche, anschmiegsame Frauen mitspielen, die ihre Bedürfnisse und Wünsche nicht äußern dürfen, weil der Love Interest so viel wichtiger ist als sie? Weil nur Testosteron nach Beischlaf verlangen darf? Dürfen weibliche Hauptfiguren handwerklich begabt sein? Nein, Sticken zählt jetzt nicht! Ist eine selbstbewusste Frau abartig und unromantisch? Fallen Liebesromanleserinnen in Ohnmacht, wenn die Heldin ihre Waschmaschine zerlegt, weil im Flusensieb eine halbe Socke liegt? Ist es unzumutbar, wenn die Heldin ihren Küchenboden selbst fliest? Darf eine Romanzenheldin eine eigene Meinung haben? Darf sie fluchen, sich schlagen und vor allem: Darf sie sich auch selbst retten? Oder muss sie tatsächlich schwächlich ausharren, bis der Held sie rettet? Muss sie wirklich stillschweigen, egal wie attraktiv sie ihren Love Interest findet, bis der den ersten Schritt macht? Darf sie Mensch mit Ecken, Kanten, Launen, Sehnsüchten, Abneigungen und mehr sein – oder ist sie ausschließlich dekoratives Beiwerk und Siegespfand des Helden?
Zum Ende noch ein Zitat aus Wikipedia:
Die längste Belagerung überstand die Festung im Jahr 1338. Agnes Randolph, 4. Countess of Moray (1312–1369), genannt Black Agnes, wehrte sich sechs Monate lang energisch gegen die von Eduard III. ausgesandte Armee der Engländer.