Helden unterscheiden sich je nach Genre. Was einen Protagonisten in einem Liebesroman anziehend macht, würde ihn vielleicht in einem Thriller zur Fehlbesetzung machen. Romane sind ein kleiner Urlaub, eine Auszeit, die nur uns und dem Helden gehört, mit dem wir mitfiebern, mitleiden, lachen und zittern wollen.
Helden müssen Macken, Schwächen, Kanten haben. Auf Hochglanz poliert, glattgebügelt, fehlerfrei, allwissend und allkönnend – langweilig! Das ist wie ein ganzer Roman nur Friede, Freude und Eierkuchen. Wir brauchen Konflikte – innere wie äußere. Wir brauchen Gegensätze – immerhin ziehen die sich ja bekanntlich an (und mitunter auch gegenseitig aus, jaja).
Ein unrühmliches Beispiel aus meiner eigenen Feder: Ich schuf einen prachtvoll anzusehenden Helden, natürlich ein großer Krieger, dabei allerdings verständnisvoll, einfühlsam und vollkommen hilfsbereit, selbstlos meine Heldin zu retten. Auf Seite 200 konnte ich mein eigenes Schnarchen der Langeweile hören, holte mir fachfrauliche Hilfe und bekam die vernichtende und vollkommen berechtigte Kritik: Der Kerl ist ein langweiliger Frauenversteher. Er braucht eine Kante! Die bekam er. Verständnisvoll und ein augenscheinlicher Frauenversteher blieb er – beharrlich auf der Suche nach Schwachpunkten, bei denen er einhaken und seinen Vorteil abschöpfen kann. Mit Fürsorge versuchte er ab da, meine Heldin zu steuern, damit sie das tat, was er wollte. Und wahrscheinlich kam er sich dabei immer noch sehr selbstlos vor.
Kratzer im Lack, Kante, Charakter – wie auch immer ich es nenne, meine Helden tragen Schatten mit sich herum. Ob sie nun vollkommen überzeugt sind, der beste Liebhaber aller Zeiten zu sein („Es wird dir gefallen.“), ob sie eine Phobie mit sich herumschleppen, in der Vergangenheit Böses durchlebten oder einfach der Welt größter Egoist sind, es formt sie und sorgt für Konfliktpotential und damit Spannung. Ein Held muss auch mal was auf die Nase bekommen. Wenn er lässig und mühelos durch alle Gefahren spaziert, ist das ebenso langweilig wie der oben erwähnte glattgebügelte Hochglanz.
Interessant dazu ist die Leserabstimmung des Empire-Magazines zur besten Filmfigur: Platz 3: Han Solo (charmanter Schurke, auf eigenen Vorteil bedacht, fällt in Liebesdingen und mit dem defekten Antrieb der Falcon oft genug auf die Nase), Platz 2: James Bond (unvergessen Sean Connerys Gesichtsausdruck, nachdem ein Gegner auf einen Schwung bondiger Urinprobe im Gesicht darauf reagierte, als wäre es hochkonzentrierte Salzsäure) und Platz 1: Indiana Jones (schmutzig, verschwitzt, alles bis auf den Ellenbogen tut weh, Angst vor Schlangen, tappt liebenswürdig in Fallen und vertraut den falschen Leuten).
In diesem Sinne hoffe ich, dass ich mit meinen Helden auf der richtigen Spur bin. Spaß macht es mir allemal, mit ihnen ein wenig die Unterwelt aufzuwischen, ihrem überbordenden Ego gemeine Tiefschläge zu verpassen und natürlich ganz erheblich an ihrem Lack zu kratzen.
P.S. Wer hat jetzt auch Herbert Grönemeyer im Ohr? Wann ist ein Held ein Held? Dadammda …