Ich erinnere mich noch gut, wenn wir Oma und Opa besuchen wollten – und vor deren Haustür hielt Mama mir ein Taschentuch hin, damit ich draufspucke und sie mir einen ominösen Fleck aus dem Gesicht putzen konnte. Mir wurde mittlerweile glaubhaft von zahlreichen Müttern versichert, dass das grundsätzlich gemacht wird. Mein Mitgefühl mit allen Kindern!
Nun, die letzten Tage habe ich genau das gemacht.
Während zehn Helden mucksmäuschenstill um uns herumstanden, habe ich Arrion herausgeputzt. Seine „jüngeren Brüder“ sahen zu. Hin und wieder grinste einer, während ich einen Blutfleck von Arrions Brustpanzer putzte, ihm eine wirre schwarze Locke aus der Stirn strich und mir seine Fingernägel zeigen ließ. Einer der anderen Kerle lachte erstickt, als ich das sagenumwobene Taschentuch zückte und Arrion befahl, drauf zu spucken, weil er einen Matschfleck auf der Wange hatte. Ich bin sicher, dass es Drakhall war, der da lachte. Sieht ihm ähnlich.
Kenna versuchte dann noch, sich an Roveon vorbeizudrängeln, wurde aber durch einen einzigen, kalten Blick von Cajan an dieser Aktion gehindert. Niro und Farlin erwogen, sich irgendwohin zu verziehen, wo keine angespuckten Taschentücher drohen. Alleine Ariz hatte die Ruhe weg und betrachtete die Vorbereitungen kritisch. Er machte mich sogar auf einen Fussel auf Arrions Mantel aufmerksam. Juran und Shadac knieten gemeinsam im Gebet nieder, um den Segen der Götter auf Arrions Haupt zu erflehen. Teiro – seines Zeichens Kriegsgott – fühlte sich natürlich nicht angesprochen.
Unnötig zu sagen, dass diese ganzen Vorbereitungen Arrion vollkommen kalt ließen. Er demonstrierte Geduld und grinste nur hin und wieder frech, nämlich als er versuchte, mir auf den Hintern zu klopfen.
Nach drei Lektoratsdurchgängen, dem Ausmerzen von unvermutet doch noch vorhandenen Verbfaulheiten, dem Aufspüren von leicht schwammigen Formulierungen und vielen, tollen Kommentaren (ich liebe es ja, wenn Betaleser und nun auch eine Lektorin genau an den richtigen Stellen lachen oder weinen und mich verfluchen) ist die Überarbeitung erledigt. Schmutz- und Blutflecken von Arrions Rüstung und seiner Wange geputzt, und jetzt ist der große Kobaltblaue wieder beim Verleger.
Meine Nerven!
Entschuldigung, Cajan zupft an meinem Ärmel und fragt besorgt, ob ich seinen Roman sicherheitshalber auch noch einmal durchgehe. Ich habe also zu tun, denn meinem Paladin kann ich wirklich keinen Wunsch abschlagen.