Schriftstellerische Abgründe

Autor*innen sind ein friedliches Völkchen. Solange sie alleine im stillen Kämmerchen schreiben – Tee, Duftteelicht und Schokolade in konsumfreundlicher Reichweite –, kennt nur die Suchhistorie ihres Internetbrowsers die Abgründe.

Je nach Genre und Gemeinheitsfähigkeit des Schreibenden weist diese Historie Suchbegriffe auf, die die NSA oder den KGB (ja, ich weiß, gibt es nicht mehr, aber die neue Abkürzung für die Nachfolgeorganisation ist nicht so schick griffig. Erwähnte ich, dass ich mit James Bond großgeworden bin? KGB, so!) durchaus aufhorchen lassen würden. Ich nenne nur mal ein paar Beispiele: Mord mit Haushaltsgegenständen. Wie lasse ich eine Leiche verschwinden? Platzt der Kopf, wenn man mit dem Streitkolben draufhaut? (Die Antwort lautet: Nein, hab ich ausprobiert. Mit einem Kohlkopf und einer Cantaloupe-Melone.) Verlauf einer Syphilis-Infektion. Wie lange dauert es, bis ein Mensch verblutet? Kann jemand mit einer verletzten Hauptschlagader noch ein paar Abschiedsworte äußern? Wie fühlt sich eine Gehirnerschütterung an? Blendung? Narbenbildung? Wunde ausbrennen? Amputation?

Autor*innen sind gemein. Ich behaupte sogar, Autor*innen sind gemeine Sadist*innen mit einer sadistischen Ader. Mindestens. Ich auch!

Besonders schockierend werden aber Autor*innen, wenn sie zu mehreren beisammensitzen und sich austauschen. Und irgendwann natürlich auf das jüngste Sterben, die letzte Verstümmelung oder so zu sprechen kommen.

Ich bin ja immer wieder überzeugt, dass irgendwann sehr streng guckende Spezialeinheiten vor meiner Tür stehen werden. Und vor der meiner Mail- oder Telefongesprächspartner*innen, mit denen ich mich über ein aktuelles Projekt austausche.

Bestes Beispiel gestern, als mir während eines Telefonats einfiel, was ich dringend notieren musste:
3. Geburtstag
Feuer
Jemanden umbringen
Kekse klauen.

Ich hoffe, dass mein Kugelschreiber keinen NSA-Chip eingebaut hat. Ich hoffe das wirklich.

Gespräche zwischen Autor*innen können folgende Sätze beinhalten:
„Es war mein erster Mord. Das war erfrischend aufregend.“
„Naja, er liegt da rum und stirbt.“
„Du, ich muss nach Hause. XY soll heute noch ins Gras beißen.“
„Ich musste sogar eine Träne wegzwinkern, als ich ihn umbrachte.“
„Er ist so malerisch gestorben.“
„Ich erkannte, dass sie überflüssig ist. Da habe ich sie einfach umgebracht.“
„XY watet gerade durch Blut. Nein, wirklich!“
„Ich habe XY vergiftet. Er merkt es schon. Ist aber zu spät, etwas dagegen zu tun.“
„Ich habe seine Eingeweide auf schätzungsweise sechs Quadratmeter verteilt. Hat Spaß gemacht.“

Ich bin sicher, dass Schokolade friedlich macht. Hat jemand welche für mich?