Ich bin derzeit ein wenig im Ausschreibungsfieber. An drei laufenden Wettbewerben nehme ich schon teil, jetzt sprang mich eine Ausschreibung für „Intrigen, Mord und Bösewichte“ angesiedelt im Mittelalter an.
Erste Assoziationen: Der Name der Rose und Cadfael.
Zweiter Gedanke: Aber in Schleswig-Holstein und ohne die Hilfe eines Mönchs!
Dritter Geistesblitz: Kiel!
Im Januar habe ich ein wenig Stadtführerin gespielt, da ich liebem Besuch aus Berlin und der Schweiz die Wartezeit bis zur Zugabfahrt vertreiben wollte. Start des Bummels war am jetzigen Alten Rathaus (das vor einigen Jahrzehnten selbst noch das Neue Rathaus war), runter zum Kleinen Kiel, durch die Kehdenstraße zum Alten Markt, die Dänische Straße ein Stückchen hoch, bis wir den Warleberger Hof (das einzige Gebäude in Kiel, das aus der Zeit von vor dem Dreißigjährigen Krieg stammt) und das Schloß erblicken konnten. Eine Runde durch die Altstadt, wenn man das Rathaus aus dem Marsch weglassen würde.
Kiels Altstadt mit Burg, Nikolaikirche, Markt, Hafen und Kloster, auf der einen Seite die Förde, ringsum eine Stadtmauer und ein Stadtgraben. 2000 Einwohner. Mittendrin ein Mord an einem ehrenwürdigen Rat des Magistrats. Ja, das gefiel mir.
Drei Bücher und die unschätzbare Mithilfe meines Bruders später habe ich einen Stadtplan, mit dem ich arbeiten kann. Ich habe Bilder vom wirklichen alten Rathaus bewundert, mir klargemacht, daß die Steinwüste rund um Sankt Nikolai früher ein Friedhof gewesen ist. Die breite Verkehrsader an der Förde entlang hat früher keinen Blick aufs Wasser gewährt, denn der Name „Am Wall“ rührt von der alten Stadtmauer her.
Heute erwägt man in Kiel, die „Holstenbrücke“, die einst ein offenes Gewässer und Teil des Stadtgrabens war, wieder zu einem Wasserweg zu machen. Auf meiner eingescannten, ausgedruckten und beklebten und beschrifteten Karte sieht das richtig gut aus! Los, ihr Stadtväter von Kiel!
Die drei Bücher, die mir halfen: „Kiel vor 100 Jahren – Ansichten einer Großstadt“ (zum Handlungszeitpunkt meiner Novelle hat Kiel etwa 2000 Einwohner …) aus der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, „Das alte Kiel“ von Gerhard Kaufmann und das „Kieler Straßenlexikon“ von Hans-G. Hilscher. Dazu Internet, aktuelle Straßenkarten, ein sich durch Bücher grabender Bruder.
Der Hintergrund steht. Ich liebe Recherche! Jetzt ist mein Mittelalter-Kiel so lebendig, daß mein Ratsmann Cornelius über die ungepflasterten Straßen spazieren kann.
Das einzige, wofür mich mich abweichend von historischer Genauigkeit entschieden habe: Ich werde die aktuellen Straßennamen verwenden. Natürlich nur bei den Straßen, die es noch gibt. Denn die Kattenstraße ist ebenso wie die Fischerstraße verschwunden. Auch die Schreibweise „Kiel“ statt mit zwei L oder einem Y werde ich in der Novelle beibehalten.